Noch:Schon macht klassische Musik gegenwärtig
Ein Team junger MusikerInnen, Ton- und Ideenschaffender nimmt sich mit dem Projekt Noch:Schon vor, klassische Musik in den Kontext der Gegenwart zu stellen. Es bereichert bekannte kammermusikalische Werke mittels digitaler Tontechnik um neue Klangwelten und erlaubt so frische und intensive Hörerlebnisse. Dem interdisziplinär arbeitenden Team geht es dabei nicht einfach um einen Stilbruch, sondern es stellt bewusst Konventionen klassischer Musik in Frage und will so den Diskurs über ihre Gegenwart und Zukunft befördern.
Klassische Stücke an epochalen Schwellen – CD I
Entstanden ist dabei die Doppel-CD Noch:Schon – Musik an der Schwelle. Auf CD I haben die MusikerInnen Werke des Übergangs eingespielt: diese bewegen sich schillernd an den Schwellen von Epochen, Stilen und Biografien. „Wir haben uns zunächst auf die Suche nach Repertoire begeben, das sich auf jeweils eigene Weise mit dem Thema ‚Schwelle‘ auseinandersetzt“, erklärt Toni Ming Geiger, Pianist und einer der beiden Projektleiter. „Dabei fanden wir Werke, die dies sowohl stilistisch als auch thematisch tun. Später kam die Idee hinzu, mit dem ganzen Genre der klassischen Musik über die Schwelle zu gehen.“
Klassische Musik geht über die Schwelle – CD II
Auf CD II wurden die aufgenommenen Werke im Tonstudio dekonstruiert und zu einer völlig neuen Symphonie rekomponiert. Dabei werden die klassischen Tonaufnahmen zu elektronischen Sounds umgeformt; es entstehen Assoziationen zu Free Jazz, Filmmusik, Ambient, Trip-Hop und Elektronischer Musik. Die Arbeitsweise des modernen Sound Design schafft Verbindungen zwischen scheinbar alter Musik und zeitgenössischem Sound. „Die Idee, CD II in der Großform der Symphonie anzulegen, entstammt der Überzeugung, dass die Rekompositionen in sich stimmige und eigenständige Stücke werden sollten. Sie brauchten also eine starke kompositorische Struktur, die es uns erlaubte, eine stimmige Dramaturgie aufzubauen. Dabei war uns das Originalwerk selbst die größte Inspiration”, so Luis Reichard, Produzent und konzeptueller Urheber der Rekompositionen.
Noch:Schon – Musik an der Schwelle bietet dem Hörer einen sorgfältigen Transfer klassischer Musik ins Heute an, und schafft es, trotz musikwissenschaftlich fundiertem Unterboden emotional unmittelbar zu wirken. Wenn das Wunderland in Bergs „Nacht“ auf CD II als vielstimmige Klangreise auftaucht oder die persönliche Ebene in der Violasonate zu einem Gewittersturm aus Tönen zum Symbol der Unfassbarkeit Zimmermanns gegenüber dem Verlust seiner Tochter wird, kann man auch dank des Transfers unmittelbar spüren, dass diese Musik sehr direkt anspricht. Noch:Schon – Musik an der Schwelle ist eine CD, die zu vielschichtigem Hören einlädt.